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Social Bookmarking und Tagging
oder: User generated content vs. bibliothekarische Sacherschließung
Illustration der bibliothekarischen Sacherschließung
User generated content - zur Einstimmung
Michael Wesch: The Machine is Us/ing Us
Das Angebot an Social-Bookmarking-Diensten steigt in letzter Zeit stark an. Entstanden als Möglichkeit zur privaten Online-Adressensammlung bieten alle Dienste heute die Möglichkeit, neben weiterhin privat und verdeckt gespeicherten Adressen einen Teil der Webadressen und -ressourcen zu publizieren.
Beispiele für Social-Bookmarking-Dienste:
- delicious, einer der ersten und (noch) am stärksten verbreitete Dienst, den Online-Bookmarking-Anwender aus dem Bibliotheksbereich oder der Informationswissenschaft häufig verwenden. Gehört heute Yahoo.
- Connotea, das stärker auf Wissenschaftler abzielende Angebot der Nature Publishing Group
- 2collab, der Nachzügler von Elsevier
- Mister Wong, ein im deutschsprachigen Gebiet sehr verbreiteter Dienst
- BibSonomy, eine Entwicklung des Fachgebiets Wissensverarbeitung der Universität Kassel
- diverse weitere Angebote
Tagging
Die Organisation der online gesammelten Adressen folgt hier nicht länger hierarchischen Strukturen (Ordner, Unterordner), sondern wird durch die Vergabe von Schlagwörtern (Tags) vorgenommen. Eine Webressource kann mit mehreren Schlagwörtern versehen werden und ist daher umfassender zu klassifizieren als durch das bloße Abspeichern in einem bestimmten Bookmark-Ordner. Ein Klick auf einen vergebenen Tag listet alle Adressen auf, die mit einem bestimmten Schlagwort versehen sind. Charakteristisch sind auch Schlagwort-Wolken/Tag-Clouds, die durch graphische Hervorhebungen die Anzahl der vergebenen Tags deutlich machen (häufige Schlagwörter / seltene Schlagwörter). Auch die Onlinepresse macht sich diese Technik zunehmend zu Nutze.
Tagclouds
Um den Überblick nicht zu verlieren, erlauben Social-Bookmarking-Dienste die Zusammenfassung verschiedener Tags zu Schlagwortbündeln, mit denen Kategorien nachgebildet werden können. Da sich einzelne Tags mehreren Bündeln zuordnen lassen, ist auch diese Ordnung „multidimensionaler“ als das klassische Ablegen in Bookmarkordnern, in denen sich ein mehrfacher Nachweis einer Internetressource allenfalls mit Kopien der Bookmarks bewerkstelligen lässt.
Öffentlich oder privat
Bei den eigenen Bookmarks lässt sich einzeln festlegen, ob sie privat oder öffentlich abgespeichert werden sollen. Hier wird auch angezeigt, wie viele und welche (!) Benutzer der gleichen Plattform unter welchen Tags diese URL bereits zur öffentlichen Nutzung abgelegt haben. Ein Blick auf deren Erschließung bietet sich sicher im Hinblick auf eine Normierung und/oder Orientierung an. Auch die Bemerkungen anderer Benutzer werden sichtbar. Hier ein Blick auf 27 Delicious-Speicherungen des Volltextservers der Virtuellen Fachbibliothek Psychologie der SULB.
Abspeichern, Browser-Applets, Schnittstellen, Integration mit bibliothekarischen Nachweissystemen
Problematisch ist noch das direkte Abspeichern gefundener Adressen in Online-Bookmarking-Diensten, da diese zum Abspeichern meist eine Erweiterung des Browsers benötigen, die installiert (delicious) oder (z.B. in Connotea und BibSonomy) als Bookmark (= „Bookmarklet“) abgespeichert werden muss. Einige Bibliothekssysteme und institutionelle Volltextrepositorien (Hochschulschriftenserver) verfügen bereits über eine Schnittstelle zu diesen Diensten, die mittels Knopfdruck die URL in die Adressdatenbank überspielt. Durch dieses Verfahren kann relativ bequem bzw. Orts- und Browserunabhängig eine Speicherung der Daten vorgenommen werden. Die Lokalsysteme der Universitätsbibliotheken Köln und Heidelberg sowie das E-Learning-System Moodle sind (bzw. lassen sich) mit BibSonomy verknüpfen. Die beiden Kataloge übertragen bibliographische Angaben im -Format inkl. SWD-Schlagwörtern, wenn auch - v.a. bei den Schlagwörtern - nicht fehlerfrei.
OPUS-Volltextserver sind mittlerweile standardmäßig mit einer Schnittstelle zu Delicious und Connotea ausgestattet.
Automatisierte Massenanreicherung
Einzelne Bibliotheken sind dazu übergegangen, zur besseren Sichtbarmachung ihrer Volltextressourcen in Bookmarking-Diensten die Inhalte ihrer institutionellen Repositorien systematisch in diese Plattformen einzuspeisen und dies nicht den individuellen Nutzern zu überlassen. Diese Daten werden automatisch mit Tags aus den vergebenen Schlagwörtern angereichert. So sind beispielsweise die Volltexte der LMU München über einen Aufruf des Benutzers "ubm" zu erreichen, ein Verfahren, das von Web-2.0-Enthusiasten umgehend als zeitgemäße Strategie bewertet und entsprechend begrüßt wurde. In Saarbrücken haben wir davon Abstand genommen, da wir der individuellen, benutzergesteuerten Erschließung den Vorzug geben gegenüber einem systematischen, automatisierten und institutionellen Verfahren, das an Bookmark-Spamming grenzt. Man kann dies sicherlich kontrovers diskutieren.